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Angst als Mittel der Politik in der Ost-West-Auseinandersetzung

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Ritter, G. (Ed.) (1986). Angst als Mittel der Politik in der Ost-West-Auseinandersetzung. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-46138-7
Ritter, Gerhard. Angst als Mittel der Politik in der Ost-West-Auseinandersetzung. Duncker & Humblot, 1986. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-46138-7
Ritter, G (ed.) (1986): Angst als Mittel der Politik in der Ost-West-Auseinandersetzung, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-46138-7

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Angst als Mittel der Politik in der Ost-West-Auseinandersetzung

Editors: Ritter, Gerhard

Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung, Vol. 17

(1986)

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Abstract

Vorwort

Die Gesellschaft für Deutschlandforschung hat seit 1979 auf ihren Tagungen, soweit dies angängig war, immer wieder Probleme der Militärpolitik der DDR in den jeweiligen Themenkatalogen berücksichtigt. Erinnert sei hier nur an die in den Periodika der Gesellschaft veröffentlichten Beiträge von Jens Hacker (Die DDR im Warschauer Pakt), Walter Rehm (Militärtraditionen in der DDR; Die Kriegstheorie von Karl Marx), Fritz Birnstiel (Die Militärpolitik der DDR), Henning von Löwis of Menar (Militärisches und Paramilitärisches Engagement der DDR in der Dritten Welt) und Gerhard Ritter (Die Position von Karl Marx in der Militärpolitik der DDR). Nunmehr wurde in dieser Richtung ein Schritt weitergegangen. Auf der wehrwissenschaftlichen Tagung der Gesellschaft zur Erforschung der politischen Systeme in Deutschland (Korporatives Mitglied der Gesellschaft für Deutschlandforschung) in Münsterschwarzach am Main (5.-8. November 1984) stand diesmal allein ein wehrpolitischer Themenkomplex zur Debatte, der sich nicht nur auf die DDR beschränkte, sondern in einem erweiterten geographischen Bezugssystem Probleme behandelte, ohne dabei das Grundproblem Deutschland aus dem Auge zu verlieren.

Das gewählte Generalthema: "Angst als Mittel der Politik in der Ost-West-Auseinandersetzung" entsprach der aktuellen politischen Situation, gegeben durch die Nachrüstung im Bereich des westlichen Verteidigungsbündnisses der NATO als Folge der sowjetischen Hochrüstung seit der KSZE-Konferenz in Helsinki und das damit im Zusammenhang stehende plötzliche Wiederaufleben der westlichen Friedensbewegung, die sich gute 30 Jahre zuvor in der Picasso'schen Friedenstaube ihr Symbol gegeben hatte. Kennzeichnend für diese Renaissance waren ebenso die Wohlorganisiertheit dieser Bewegung wie die gehäufte Herausgabe wissenschaftlicher und pseudowissenschaftlicher Untersuchungen in den Jahren 1983/84 über den totalen Nuklearkrieg mit den Alpträumen eines Nuklearinfernos. Dies war Anlaß genug, um sich zu fragen, warum die seit Jahrzehnten bestehende atomare Bedrohung überraschend in dieser Intensität in das Zentrum der Forschung gerückt wurde, warum eine Vielzahl von Massenmedien, die jahrelang diese Frage ignoriert hatten, damit begannen, die atomare Situation in aller Schärfe und bis zur Grenze des Unerträglichen zu dramatisieren. Als augenfällig zeigte sich ferner, daß trotz wirtschaftlicher Misere und ungelöster innenpolitischer sowie außenpolitischer Fragen man sich in der Bundesrepublik den Luxus einer hausgemachten Hitze in sogenannten Friedensdiskussionen und überbordenden Friedenskampagnen leistete, während in den westlichen Nachbarländern derartige Symptome weitgehend peripheren und sporadischen Charakter trugen. Die auffällige Hinnahme der unmittelbaren Bedrohung der Bundesrepublik durch die in der DDR und CSSR aufgestellten sowjetischen SS-20-Raketen einerseits, das aktive Nichthinnehmenwollen der Installierung des amerikanischen Waffensystems Pershing II zur Wiederherstellung des Kräftegleichgewichtes in Mitteleuropa durch die militanten Kreise der Friedensbewegung andererseits, mußte den Verdacht nahelegen, daß hier nicht allein genuine pazifistische außerpolitische Einflüsse mitbestimmend waren. Hieran ließen sowjetische Äußerungen keinen Zweifel. Das vitale Interesse der SU erforderte es, mit allen Mitteln, außer denen des Eingehens eines militärischen Risikos, die westliche Raketenstationierung zu verhindern. Gelang dies nicht, dann mußte sie ebenso die direkte Bedrohung des eigenen Territoriums bis zur Linie Leningrad-Moskau hinnehmen wie jenes Nahziel der Abkoppelung Westeuropas von den USA und damit dessen Erpreßbarkeit in weite Ferne gerückt sehen. Da sich eine militärische Lösung ausschloß, griff sie, wie so häufig in ihrer Geschichte, auf das Mittel des propagandistischen Einwirkens auf den Westen in Gestalt der sogenannten Volksdiplomatie zurück, d.h. sich unmittelbar über die Köpfe der gegnerischen Regierung hinweg an das Volk zu wenden, sei es an bestimmte soziale Schichten, sei es an in Opposition zur Regierung stehender Kräfte oder Einzelpersonen. Ein nach wie vor gültiges Konstituens der sowjetischen Volksdiplomatie stellt die Weisung der Kommunistischen Internationale aus dem Jahre 1924 dar, die folgendermaßen lautet: "Wir müssen sozusagen ein ganzes Sonnensystem von Organisationen und kleineren Komitees um die Kommunistische Partei herum aufbauen, die unter dem faktischen Einfluß unserer Partei (nicht unter einer mechanischen Leitung) stehen werden." Dementsprechend handelte auch die sowjetische Außenpolitik in der Frage der westlichen Nachrüstung. Die unverhüllte Übernahme sowjetischer Thesen und Parolen durch das linke Spektrum der Friedensbewegung, deren Umsetzung in einen gezielten, wenn auch hektischen Aktionismus, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß hier unmittelbare und mittelbare Beziehungen zu den sowjetischen und DDR-Propagandazentralen bestanden. Die sowjetische Kennzeichnung der westlichen Friedensbewegung als "Antikriegs- und Antiraketenbewegung" legte den Kern der Sache bloß, um den es letztendlich ging.

Bei dieser Frage konnte die Sowjetunion nicht in innenpolitische Schwierigkeiten geraten, dafür aber die DDR, auf deren Territorium die SS-20- ihre Aufstellung gefunden hatte, und sich zudem über den Äther der Einfluß der bundesdeutschen Friedensbewegung bemerkbar machte, den es nun aufzufangen, zu kanalisieren und zu neutralisieren galt. Mit den Geistern, die die SU gerufen hatte, kam die Unruhe in die Bevölkerung der DDR, insbesondere in kirchlich orientierte Kreise der jungen Generation, die sich provokativ jenes Mottos auf Plakaten bedienten, das die Sowjetregierung einst als Aufschrift für eine der UNO geschenkte Plastik selbst gewählt hatte: "Laßt uns aus Schwertern Pflugscharen machen". Die sukzessive Ausschaltung dieser Gruppen aus dem öffentlichen Leben, damit die Durchsetzung des Anspruchs der DDR-Partei- und Staatsführung, daß es außer der "offiziellen Friedensbewegung" keine Duldung pazifistischer Randgruppen geben könne, die verstärkte Erziehung zum Haß in der NVA gegen den "imperialistischen Gegner", bewiesen nur zu deutlich die Schwierigkeiten, die die DDR mit der Auflösung des Widerspruchs hatte, einerseits dem westlichen Pazifismus Hilfestellung zuteil werden zu lassen, andererseits den als antisozialistisch deklarierten Pazifismus im eigenen Land vehement zu bekämpfen. Im "Kommunistischen Manifest" von Karl Marx und Friedrich Engels steht der einleitende Satz: "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus." Für die Jahre 1982 bis 1984 könnte auch der Satz stehen: "Ein Gespenst geht um in der Bundesrepublik Deutschland - das Gespenst der Angst vor der nuklearen Vernichtung." Das Phänomen der Angst, das in diesen Jahren in allen Spielarten vermittelt und indoktriniert wurde, das massenhafte Auftreten der Agitatoren der Angst und Angstkampagnen ließen deutlich werden, daß hier Angst als Mittel der Politik ins Spiel gebracht wurde.

Dieses Phänomen der Angst als politisches Instrument in seiner praktischen Anwendung zu analysieren, aber auch eine Antwort darauf zu finden, wie ihm auf westlichem Boden im Sinne des "Was tun" begegnet werden kann, war die Aufgabe, die sich die Tagung in Münsterschwarzach stellte. Die weitgehend bundesdeutsche - nicht etwa europäische - Fixierung auf die Raketenstationierung mit den sie begleitenden Angstkampagnen ließen es nicht ratsam erscheinen, den Fragenkomplex isoliert, allein bezogen auf die beiden deutschen Staaten zu behandeln. Dies hätte zu einem Verrücken der Maßstäbe im internationalen Kontext geführt, wenn lediglich in eigenem "teutschen" Saft gekocht würde. Wie schaut es mit den Nuklearängsten der anderen Völker im Nachbarbereich aus, das war die Frage, die miteinzubeziehen, zu klären war, ob das Phänomen der deutschen Friedensbewegung ein spezifisch deutsches ist oder aber auch seine Entsprechung in den neutralen Staaten Österreich und der Schweiz sowie beim Bündnispartner Italien findet.

Der Versuch, hierauf Antworten zu finden, liegt in den nachfolgenden Referaten vor, von denen jedes für sich sprechen soll. Leider mußte es sich der Herausgeber versagen, wichtige Diskussionsbeiträge den jeweiligen Referaten anzufügen. Ein Faktum, das die Tagung beherrschte, sollte nicht übersehen werden, nämlich das Bemühen aller Referenten und Teilnehmer, jenen Satz Clausewitzens zu beherzigen, daß "nichts so wichtig im Leben" sei, als "genau den Standpunkt auszumitteln, aus welchem die Dinge aufgefaßt und beurteilt werden müssen, und an diesem festzuhalten; denn nur von einem Standpunkte aus können wir die Masse der Erscheinungen mit Einheit auffassen, und nur die Einheit des Standpunktes kann uns vor Widersprüchen sichern".

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Inhalt 5
Vorwort 7
J. Kurt Klein: Angst als Waffe 11
I. Lehren der Geschichte 12
II. Die Angst in der psychologischen Strategie Moskaus 13
III. Angst macht einäugig 16
IV. Angst als Bumerang 17
Theodor Arnold: Ängste in Russland 19
Franz Pahl: Italienische Ängste im Nuklearzeitalter 29
Günter Kießling: Angst – auch vor der eigenen Strategie? 43
I. 43
1. Wie sich das Gefühl der Bedrohung gewandelt hat 43
2. Die eigene Strategie 44
3. Das Wesen einer Verteidigungsgemeinschaft 46
4. Zusammenfassung 48
II. Was tun? 48
1. Die Bedrohung und das WOFÜR 48
2. Überdenken der Strategie 49
3. Die Mittel: Konventionelle und nukleare Waffen 50
4. Die nukleare Schwelle: Aufheben oder nur anheben? 51
5. Short of War: Die Bedeutung der psychologischen Kriegführung 51
6. Kooperation im Bündnis 53
7. Die politische und militärische Führung im Bündnis 55
Hans-Heinrich Brockmann: Das Bedrohungsbild der NATO 57
I. Einleitung 57
II. Hauptteil 58
III. Zusammenfassung und Schluß 64
Lothar Brósch-Fohraheim: Österreichs Neutralitätsverständnis 65
Lothar Brósch-Fohraheim: Die Konzeption der Raumverteidigung der Republik Österreich 77
Der Neuansatz – Die Reformphase: 80
Presse: 12. Juni 1985: 88
Walter Rehm: Die moralische Komponente bei der Erziehung und Ausbildung der Nationalen Volksarmee der DDR 91
I. Sozialistische Wehrmoral 91
II. Die sozialistische Soldatenpersönlichkeit 92
III. Feindbild und Haß 95
IV. Das Kollektiv 96
V. Politisch-moralische und psychologische Erziehung 98
VI. Kunst als Waffe 99
VII. Sozialistisches Wehrwesen und Ästhetik 100
VIII. Überlegenheit 101
IX. Schlußbetrachtung 104
Ernst Cincera: Die Verankerung der Schweizer Armee in der Tradition und die Auswirkungen politischer Agitation 107
I. Die Grundlagen 107
II. Aufbau und Ausbildung der Armee 108
III. Schwächung der Wehrbereitschaft 109
IV. Volksinitiative zur Abschaffung der Schweizer Armee 109
V. Dienstverweigerung 109
VI. Soldatenkomitee 110
VII. Friedensbewegung 111
VIII. Schlußfolgerungen 111
Die Verfasser 113